Während 39 Jahren habe ich jedes Jahr den neuen Bordeaux-Jahrgang vor Ort ab Fass probiert. Es ist ein grosses Geschenk, dass ich in allen diesen Jahren nie krank war. Aber ausgerechnet beim 40. Jahrgang hat es mich doch erwischt. Statt in Bordeaux war ich mit Covid zu Hause. Aber meine Partner haben mir eine stattliche Anzahl Muster nach Hause gebracht, und so konnte ich mir trotzdem einen schönen Überblick über den Jahrgang verschaffen. So konnte ich zum Beispiel alle Weine der Domaine Léandre-Chevalier degustieren und beschreiben.
Die Jahrgangs-Stilistik gleicht sehr stark einem meiner Lieblingsjahrgänge, dem 1988er. Die gelungenen 2021er sind aber die deutlich präziseren Weine als die 88er. Damals hat man es bei der Ernte noch nicht so genau genommen, da wurden auch unreife Trauben mitgekeltert. Heute nimmt man es mit der Traubenselektion viel genauer, was zur Folge hat, dass die 2021er eine schönere Grundreife aufweisen. Die Zeit heilt Wunden, sagt man, so haben gewisse 1988er mehr als 20 Jahre gebraucht, um ihre schönste Genussphase zu finden. Und selbstverständlich haben sich längst nicht alle 1988er zu harmonischen Weinen entwickelt. Aber diejenigen, die ihre Harmonie gefunden haben, sind heute ein Hochgenuss.
Die gelungenen 2021er zeigen sich als Fassproben schon harmonisch. Das Fassmuster des genialen Château Jean Faure 2021 haben wir zum Nachtessen sogar richtig genossen. Die 2021er werden auch nicht so lange brauchen, bis sie ihre schönste Trinkreife erreichen wie die 1988er, aber sie haben mindestens ebenso viel Potenzial für ein langes Leben. Wenn man die Differenz in Sachen Präzision in Betracht zieht, ist der Jahrgang 2021 einer, wie es in dieser Form noch keinen gegeben hat.
Die kühle Stilistik, die tänzerisch leichtgewichtige Spielart bei moderatem Alkoholgehalt und die hohe Grundreife sind die prägenden Merkmale des Jahrgangs. Diese Attribute, versammelt in einem Jahrgang, das hat es noch nie gegeben, das muss das Herz von allen Bordeaux-Liebhaberinnen und -Liebhabern höher schlagen lassen.
Verkostungsnotizen und mehr finden Sie hier:
Broschüre «Weinpassion für Bordeaux 2021»
Das Besondere am dritten grossen und auch heissen Jahrgang in Folge ist sein klassischer Kern. Die meisten 2020er haben einen Hauch mehr Struktur als die 18er und 19er. Wenn man es mit Weinen aus den 1980er-Jahren vergleicht, sind 2018 und 2019 Jahrgänge, die stilistisch an 1982, 1985 oder 1989 erinnern. Der 2020er sicher auch, aber hier könnte man sagen, dass noch ein Hauch vom klassischen Jahrgang 1986 durchschimmert.
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